| Einleitung: Es herrscht eine große Diskrepanz bezüglich der Praktikabilität von S100B-Serumwerten zur Diagnostik, Überwachung und Prognose von Patient*innen mit Schädelhirntrauma (SHT). Aktuell liegt das Augenmerk vor allem darauf, ob S100B-Serumwerte unter einem definierten Cut-Off-Wert geeignet sind, um Patient*innen eine kraniale Computertomographie (cCT) mit damit verbundener Strahlenexposition zu ersparen. Andere Einflussfaktoren von S100B-Werten stellen hierbei eine große Hürde dar. Das Scandinavian Neurotrauma Committee (SNC) veröffentlichte 2013 erstmals Leitlinien mit Berücksichtigung von S100B-Werten.
Methoden: Als Basis dieser Studie diente eine retrospektive Datenanalyse im Zeitraum von 1.1.2017 bis 31.1.2020 von Patient*innen mit SHT, die am LKH Universitätsklinikum Graz behandelt wurden, bei denen eine cCT-Untersuchung und eine Bestimmung der S100B-Werte durchgeführt wurden (n = 110). Es wurden unterschiedliche CT-Klassifikationen (Marshall, Rotterdam, Stockholm, Helsinki) sowie mögliche Einflussfaktoren wie extrakranielle Verletzungen oder die Dauer bis zur S100B-Abnahme erhoben und mit den S100B-Werten verglichen.
Ergebnisse: Bei einem Cut-Off-Wert von 0,100 µg/L zeigte sich eine Sensitivität von S100B zur Vorhersage von Pathologien in der CT von 94,7% (100% für die in den SNC guidelines definierte Gruppe) und eine Spezifität von 17,6% (21,2% nach SNC guidelines). Die Spezifität für Polytrauma-Patient*innen (n = 11) lag bei 0%, für jene mit sonstigen extrakraniellen Verletzungen (n = 41) bei 5,3%. Alle erhobenen CT Klassifikationen korrelierten signifikant (n = 110, p < ,01, R = ,376 bis R = ,468) zu den S100B-Werten. Ebenso korrelierten die Zeiten zwischen Hospitalisierung und S100B-Abnahme (n = 91, p = ,006, R = -,287), jedoch nicht die Zeiten zwischen Trauma und S100B-Abnahme (n = 23, p = ,429, R = -,173) mit den S100B-Werten von Patient*innen ohne Pathologien in der CT.
Schlussfolgerung: Extrakranielle Verletzungen haben einen großen Einfluss auf S100B-Werte. Es muss geschlussfolgert werden, dass der Cut-Off-Wert von 0,100 µg/L für Patient*innen mit multiplen Verletzungen ungeeignet ist und es diesbezüglich weiterer Forschung bedarf. Angepasste Cut-Off-Werte je nach Zeitverzögerung bis zur S100B-Abnahme könnten die Spezifität potenziell erhöhen, jedoch gibt es noch zu viele Unklarheiten bezüglich der genauen Kinetik von S100B. |