| Einleitung: Die erweiterte Stabilisierung und Reanimation von Neugeborenen nach der Geburt ist selten erforderlich, geht jedoch mit einem hohen Risiko einher, weshalb sich diese klinische Situation ausgezeichnet für simulationsbasiertes Teamtraining eignet. In situ-Simulationstraining, also Training im tatsächlichen klinischen Arbeitsumfeld, bietet zusätzliche Vorteile, jedoch wurde bislang nur für wenige medizinische Fachgebiete wissenschaftlich belegt, ob es tatsächlich hilft Patient*innenversorgung und -Outcome zu verbessern. Das Ziel dieser Studie war daher, an einer neonatologischen Intensivstation (i) die Qualität der postnatalen Stabilisierung und Reanimation zu erheben und (ii) den Einfluss von in situ-Simulationstraining auf patient*innenrelevante Qualitätsindikatoren zu untersuchen.
Material und Methoden: Nach Zustimmung der lokalen Ethikkommission führten wir eine prospektive Beobachtungsstudie an der Klinischen Abteilung für Neonatologie, Medizinische Universität Graz, durch. Inkludiert wurden darin angestellte Ärzt*innen und neonatologische Pflegepersonen auf freiwilliger Basis nach deren Aufklärung und Zustimmung. Die Aus-/Weiterbildungsmaßnahme umfasste einen Zeitraum von vier Monaten, während dem in situ-Simulationstraining regelmäßig für Studienteilnehmer*innen in interdisziplinären und interprofessionellen Teams durchgeführt wurde. Die Trainings erfolgten mithilfe eines hochrealistischen Neugeborenensimulators, die Trainingsszenarien fokussierten auf die häufigsten neonatalen Krankheitsbilder und die Trainings wurden jeweils von strukturierten Debriefing-Einheiten gefolgt.
Während zweier, jeweils zweimonatiger Beobachtungsphasen vor (Prä-Training) und nach der Aus-/Weiterbildungsmaßnahme (Post-Training) (i) wurde das Niveau der nicht-technischen Fertigkeiten und des Teamwork während tatsächlicher postnataler Neugeborenen-versorgungen und -reanimationen beurteilt, (ii) wurden klinische Patient*innendaten von Neugeborenen, die an der Klinischen Abteilung für Neonatologie Graz an einer von der Ethikkommission genehmigten klinischen Studie teilnahmen, gesammelt und (iii) wurde das individuelle Wissen der Trainingsteilnehmer*innen über Neugeborenenreanimationsleitlinien mittels Fragebögen erhoben. Die primäre Zielgröße der Studie war die Qualität der nicht-technischen Fertigkeiten und der Teaminteraktion während tatsächlicher postnataler Neugeborenenversorgungen und -reanimationen, welche anhand von Videoaufzeichnungen im Kreißsaal durch zwei externe, verblindete Neonatologen unter Verwendung des Anaesthetists' Non-Technical Skills (ANTS)-Score beurteilt wurde.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 41 in situ-Simulationstrainings durchgeführt. Beim Vergleich der 12 Teamvideos der Prä- und der 13 Teamvideos der Post-Trainingsphase zeigte sich im ANTS-Score bereits vor der Einführung des in situ-Simulationstrainings ein hohes Niveau an nicht-technischen Fertigkeiten und Teaminteraktion, welches nicht weiter zunahm. Es fand sich jedoch eine signifikante Zunahme im Teamwork-Ereignis „Evaluation von Plänen” nach der Durchführung der in situ-Simulationstrainings (0,5 [Interquartilsabstand 0,0-1,0] versus 1,0 [1,0-2,0], p=0,049). Das individuelle Wissen der Trainingsteilnehmer*innen über Neugeborenenreanimationsleitlinien war nach den in situ-Simulationstrainings ebenfalls signifikant verbessert, während sich keine Unterschiede in der Zeit bis zur Auskultation der Herzfrequenz und bis zum ersten Beatmungshub, Anzahl der endotrachealen Intubationsversuche, arteriellen Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz, Körpertemperatur, den Apgar-Scores, Pneumothorax-Inzidenz, Krankenhausaufenthaltsdauer und Mortalität zeigten.
Konklusion: Ein in situ-Simulationstrainingsprogramm wurde erfolgreich über vier Monate implementiert und durchgeführt. Während es keine Verbesserungen bei klinischen Outcome-Parametern in der Post-Trainingsphase gab, so unterstreicht die Zunahme eines Teamwork-Ereignisses, welche eine der primären Studienzielgrößen waren, nicht nur die Effektivität der Aus-/Weiterbildungsmaßnahme, sondern auch das Potential von in situ-Simulationstraining zur Verbesserung von Patient*innenversorgung und -Outcome. |