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Masterarbeit (wissenschaftlich) - Detailansicht

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Bibliografische Informationen
 Auswirkungen einer prälingualen einseitigen Schwerhörigkeit oder Taubheit auf die Sprachentwicklung von Kindern  
 Einseitige prälinguale (vor dem Spracherwerb) Hörschädigung im Kindesalter wurde lange als wenig problematisch eingestuft. Neuere Forschung zeigt jedoch, dass bereits im Vorschulalter sprachliche Auffälligkeiten und Einschränkungen der Teilhabe am Alltag auftreten können. Ziel dieser Arbeit war es, zu untersuchen, welche sprachlichen Auffälligkeiten Kinder mit prälingualer einseitiger Schwerhörigkeit im Alter von null bis sechs Jahren aufweisen und welche sprachrelevanten Entwicklungsbereiche betroffen sind. Es wurde ein Mixed-Methods-Review durchgeführt. Die Recherche erfolgte in internationalen Datenbanken ohne zeitliche Einschränkung, jedoch auf englisch- und deutschsprachige Publikationen begrenzt. Eingeschlossen wurden empirische Studien mit Kindern bis sechs Jahren und prälingualer einseitiger Schwerhörigkeit. Insgesamt gingen zwölf Studien in die Analyse ein. Die methodische Qualität wurde mithilfe des „Mixed Methods Appraisal Tool“ (MMAT, Version 2018) bewertet. Die Auswertung erfolgte narrativ entlang folgender vordefinierter Kategorien: präverbale Sprachentwicklung, rezeptive Sprache, expressive Sprache, auditive Fähigkeiten mit sprachlicher Relevanz, Lebensqualität und Teilhabe sowie technische Hörversorgung.

Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder mit einseitiger Schwerhörigkeit bereits im ersten Lebensjahr Auffälligkeiten in der präverbalen (vorsprachlichen) Entwicklung aufweisen, etwa geringere Lallhäufigkeit, eingeschränkte vokale Exploration (Lallen, Brabbeln, etc.) und ein verzögertes Einsetzen von Zweiwortkombinationen. Im Bereich der rezeptiven Sprache ergaben sich heterogene Befunde: Einige Studien dokumentierten deutliche Verzögerungen im Wortschatz und im Sprachverständnis, andere fanden bei älteren Vorschulkindern annähernd altersadäquate Leistungen. Dies deutet darauf hin, dass sich Defizite bei einem Teil der Kinder bis zum Schuleintritt ausgleichen, während sie bei anderen bestehen bleiben. Expressive Sprache war konsistenter betroffen, insbesondere der aktive Wortschatz, teils auch noch im Schulalter. Artikulation und Phonologie (Lautbildung und Lautanwendung) zeigten ebenfalls Unterschiede, sodass einzelne Kinder logopädische Unterstützung benötigten. Auditive Fähigkeiten waren vor allem im Säuglings- und Kleinkindalter eingeschränkt: vermindertes Reagieren auf akustische Reize, schwächere auditive Aufmerksamkeit und reduzierte Lautlokalisation wurden wiederholt berichtet, in Einzelfällen jedoch auch unauffällige bis überdurchschnittliche Leistungen festgestellt. Zur Lebensqualität und Teilhabe verdeutlichten Elternfragebögen, dass funktionale Einschränkungen in Alltagskommunikation und Gruppensituationen bestehen, selbst wenn standardisierte Tests keine gravierenden Sprachdefizite nachwiesen. Besonders Kommunikation und soziale Integration waren wiederholt belastet. Hinsichtlich der technischen Hörversorgung zeigten die Studien, dass nur ein Teil der Kinder Hörhilfen nutzten und Angaben zur Tragedauer und Akzeptanz häufig fehlten. Eine eindeutige Evidenz für positive sprachliche Effekte der Versorgung ließ sich aufgrund der begrenzten Datenlage nicht ziehen.

Die Befunde belegen, dass Kinder mit prälingualer einseitiger Hörschädigung ein erhöhtes Risiko für sprachliche Einschränkungen haben, die sich bereits vor dem Spracherwerb manifestieren und insbesondere expressive und auditive Fähigkeiten betreffen. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass sich ein Teil der Kinder im Verlauf an normale Leistungen angleicht, was auf individuelle Kompensationsfaktoren wie kognitive Ressourcen oder familiäre Förderung hinweist. Methodische Heterogenität erschwert allerdings die Vergleichbarkeit, da unterschiedliche Messinstrumente eingesetzt wurden, die Stichprobengrößen oft klein und selektiv waren und sich die Vergleichsgrundlagen unterschieden. Die MMAT-Bewertung ergab insgesamt eine solide Qualität, offenbarte jedoch wiederkehrende Schwachstellen bei Stichprobenbeschreibung und Kontrolle von Störvariablen.

Für die Forschung ergibt sich ein deutlicher Bedarf an größeren Studien, die einheitliche Messinstrumente nutzen, klar definierte Vergleichsgruppen einschließen und auch die technische Versorgung systematisch erfassen. Die Arbeit zeigt, dass prälinguale einseitige Schwerhörigkeit keineswegs als harmlos einzustufen ist, sondern vielfältige sprachliche und psychosoziale Risiken birgt. Frühzeitige Erfassung, konsequente Intervention und weiterführende Forschung sind entscheidend, um die sprachliche Teilhabe und Lebensqualität betroffener Kinder nachhaltig zu sichern.  
 einseitige Schwerhörigkeit; einseitige Taubheit; Spracherwerb; Spracherwerbsstörung; Sprachentwicklung; Logopädie  
 
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Autorinnen*Autoren / Co-Autorinnen*Co-Autoren
  Schreiber, Katharina
Betreuende Einrichtung / Studium
  Institut für Pflegewissenschaft
 UO 066 333 Masterstudium; Interprof. Gesundheitswissenschaften  
Betreuung / Beurteilung
  Schüttengruber, Gerhilde; Dr.rer.cur. BSc MSc
  Schoberer, Daniela; Sen.Lecturer Priv.-Doz. Dr.rer.cur. BSc MSc