| Hintergrund: Das anterolaterale Ligament (ALL) des Kniegelenks ist eine häufig untersuchte Struktur in aktuellen biomechanischen und anatomischen Studien. Dieses Band könnte ein anterolateraler Stabilisator des Kniegelenks sein und nicht diagnostizierte ALL Verletzungen könnten zu persistierender Knieinstabilität nach isolierter Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (VKB, engl. ACL) führen. Derzeit ist jedoch wenig bezüglich potentieller Geschlechtsunterschiede in Bezug auf das ALL und seine Pathologien bekannt. Diese wären jedoch von großem Interesse, da ACL-Rupturen häufiger beim weiblichen Geschlecht auftreten und bekannt ist, dass andere anatomische Parameter, wie etwa der Q-Winkel, bei den Geschlechtern unterschiedlich sind. Ziel der Studie war es daher die anatomischen Charakteristika des ALL mit dem Hauptaugenmerk auf Geschlechtsunterschiede zu evaluieren.
Material & Methoden: Achtzig gepaarte untere Extremitäten von erwachsenen Körperspendern welche mittels Thielscher Methode konserviert worden waren bildeten das Studienkollektiv. Die komplette Beinlänge (TLL) wurde zwischen der Spitze des Trochanter major femoris und der Spitze des Malleolus lateralis vermessen. Nach Entfernung der Haut und des Subkutangewebes wurde der laterale Anteil der Gelenkkapsel inspiziert und die Länge des ALL in Extension vermessen. Die Länge des Ligamentum collaterale laterale (LCL) wurde in Streckstellung vermessen und die ACL-Länge in 120° Flexion.
Ergebnisse: Zweiundvierzig untere Extremitäten wurden von weiblichen und 38 von männlichen Körperspendern gewonnen. Das ALL war bei den weiblichen Präparaten (Mittelwert: 32,8 mm; SD: 5,2; Spannweite: 22,9-41,3) signifikant (p = 0,044) kürzer im Vergleich zu den männlichen Extremitäten (Mittelwert: 35,7 mm; SD: 7,1; Spannweite: 24,6-53,1). Auch das ACL war bei Männern (Mittelwert: 35,8 mm; SD: 2,8; Spannweite: 28,1-41) signifikant (p = < 0,001) länger im Vergleich zu Frauen (Mittelwert: 31,7 mm; SD: 4,6; Spannweite: 23,4-41,3). Bezüglich der Länge des LCL gab es keinen signifikanten (p = 0,084) Geschlechtsunterschied (Frauen: Mittelwert von 45,2 mm; SD: 6,7; Spannweite: 30,6-59,2/Männer: Mittelwert von 47,9 mm; SD: 6,9; Spannweite: 35,8-62). Die ALL-Länge korrelierte signifikant positiv mit der Länge des ACL (p = < 0,001) und der Länge des LCL (p = < 0,001). Es bestand keine signifikante Korrelation mit der TLL (p = 0,888) und der Körpergröße (p = 0,046). Die ACL-Länge korrelierte positiv mit der Länge des LCL (p = < 0,001), der TLL (p = 0,002) und der Körpergröße (p = < 0,001) wohingegen das LCL weder mit der TLL (p = 0,124) noch mit der Körpergröße (p = 0,243) korrelierte. TLL und Körpergröße korrelierten signifikant positiv (p = < 0,001).
Schlussfolgerung: Die ALL-Länge der weiblichen Körperspender war signifikant kürzer im Vergleich zum männlichen Kollektiv. Der Längenunterschied war jedoch ohne klinische Relevanz. Die Länge des ALL korrelierte signifikant positiv mit der ACL- und LCL-Länge jedoch nicht mit dem Geschlecht. Daher ist eine geschlechtsspezifische Betrachtungsweise obsolet. |