| Hintergrund: Chronischer Hypoparathyreoidismus ist eine seltene endokrine Erkrankung, die meist postoperativ nach chirurgischen Eingriffen im Halsbereich auftritt. Beeinträchtigtes Nebenschilddrüsengewebe bedingt einen Ausfall der physiologischen Parathormonsekretion mit konsekutiver Hypokalziämie und Hyperphosphatämie. Ergänzend zu den klassischen Symptomen wie Tetanien und Parästhesien können mögliche Spätmanifestationen trotz leitlinienkonformer Standardtherapie weitreichend sein, ein Zusammenhang zwischen Hypoparathyreoidismus und kognitiven Dysfunktionen wie Gedächtnisstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten wird diskutiert. Ziel dieser Arbeit ist es, Aussagen über die Prävalenz von kognitiven Dysfunktionen bei betroffenen Personen treffen zu können.
Methoden: Im Zeitraum vom Dezember 2019 bis Jänner 2021 wurden 10 volljährige Patientinnen und Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus in unsere prospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen. Die primäre Auswahl der Testpersonen erfolgte durch die Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie des LKH-Univ. Klinikums Graz. In Einzelgesprächen wurden neurokognitive Screening-Verfahren wie der Mini-Mental-Status-Test (MMSE), der Multiple-Choice-Vokabeltest B (MWT-B) und der Münchner Gedächtnistest B (MMT-B) angewandt, um die Auswirkungen von Hypoparathyreoidismus auf die Gedächtnisleistung zu prüfen. Zur Auswertung der Testungen wurden die Ergebnisse der Studiengruppe mit den Testergebnissen einer nicht exponierten Kontrollgruppe verglichen.
Resultate: Bei 9 von 10 an der Studie beteiligten Testpersonen handelte es sich um Frauen. Das mittlere Alter bei Krankheitsbeginn betrug 34,9 (± 12,4) Jahre, und die neurokognitive Testung wurde nach einer mittleren Krankheitsdauer von 8,2 (± 8,5) Jahren durchgeführt. Der globale MMSE-Score der Studiengruppe von 29,5 (± 0,8) Punkten war ähnlich hoch dem MMSE-Score der Kontrollgruppe mit 29,7 (± 0,6) Punkten. Keine Testperson hatte einen Score unter dem Schwellenwert von 24 Punkten, welcher auf eingeschränkte kognitive Funktion hinweisen würde. Laut dem MWT-B lag der mittlere geschätzte Intelligenzquotient (IQ) der Studiengruppe bei 106 (± 10,2) und damit über dem mittleren Rohwert der Normierungsstichprobe von 100. Die statistische Auswertung der Testergebnisse zeigte keine Korrelation zwischen chronischem Hypoparathyreoidismus und kognitiver Dysfunktion.
Schlussfolgerungen: Kognitive Dysfunktion bei langjährigem chronischen Hypoparathyreoidismus kann laut aktueller Literatur eine durch die Grunderkrankung ohnehin beeinträchtige Lebensqualität weiter einschränken. Allerdings stehen noch zu wenige Daten über die pathophysiologischen Zusammenhänge dieser beiden Krankheitsentitäten zur Verfügung. In unserer kleinen Stichprobe zeigte sich kein deutlicher Unterschied zwischen Hypoparathyreoidismus-Betroffenen und einer Kontrollgruppe. Weitere Studien sollten neben der Befundung von Laborwerten und bildgebenden CT- und MRI-Aufnahmen zusätzlich neurokognitive Testungen durchführen, um auf mögliche Zusammenhänge zwischen PTH-Mangel und kognitiver Dysfunktion zu schließen. Außerdem sollten die Vor- und Nachteile einer therapeutischen PTH-Substitution genauer evaluiert werden. |