| Unter dem Begriff Neuroprotektion versteht man den Schutz von Nervengewebe mit Hilfe von pharmakologischen oder molekularbiologischen Methoden mit dem primären Ziel den Krankheitsverlauf diverser Erkrankungen zu verbessern um in weiterer Folge die Lebensqualität der Patientinnen/Patienten zu steigern. Gerade wenn die ursächlichen zellulären Mechanismen von Erkrankungen noch nicht vollständig geklärt sind kommt der Neuroprotektion eine besonders hohe Bedeutung zu. Der Fokus dieser Dissertation liegt auf der neurologischen Erkrankung Multiple Sklerose (MS), deren Mechanismen zur Krankheitsentstehung noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Bei MS handelt es sich um eine häufige Erkrankung des jungen Erwachsenenalters die zumeist mit einem schubhaften Verlauf startet und nach rund 25 Jahren in die sekundäre progrediente Phase übergeht mit stetiger Verschlechterung der neurologischen Symptome. Gerade hier sind Ansätze das Nervengewebe bestmöglich zu schützen und zu erhalten besonders wichtig. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen ist Grundlagenforschung unabdingbar. Daher wurden in dieser Arbeit zwei Tiermodelle herangezogen, welche die humane zelluläre Situation sehr genau beschreiben können. Auf der einen Seite wurde eines der häufigsten MS-Tiermodelle verwendet, die experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE), welche die zellulären Gegebenheiten der schubförmigen MS gut charakterisiert. Auf der anderen Seite wurde ein neues Tiermodell etabliert, das kortikale Läsionsmodell (CLM), welches viele der zellulären Besonderheiten der progredienten MS repräsentiert. Die Ergebnisse beider Projekte wurden dabei primär durch immunhistochemische Techniken erhalten, zusätzlich kamen kolorimetrische und enzymatische Testverfahren zum Einsatz. Der Themenschwerpunkt an der Erforschung der EAE lag auf den Astrozyten, welche mannigfaltige Rollen bei immunologischen Geschehen, insbesondere bei MS, spielen. Vor allem (reaktive) Astrozyten, welche sich je nach Schweregrad des Schadens zu einer sogenannten Glianarbe ausbilden können, wurden lange kontrovers diskutiert. Diese Glianarbe wurde oft als eine undurchdringbare Barriere angesehen, die verhindert, dass Remyelinisierung stattfinden kann. Im Zuge dieser Dissertation konnte festgestellt werden, dass Reparaturprozesse - zumindest in diesem Tiermodell - trotz Ausbildung einer Glianarbe stattfinden können und sogar gefördert werden. Durch weitere Forschung könnten Astrozyten in Zukunft sogar ein Ansatzpunkt für neue remyelinisierungsfördernde Therapien werden. Neue Therapieoptionen für MS Patientinnen/Patienten könnten sich auch über den zweiten Themenschwerpunkt dieser Dissertation ergeben. In unserem CLM konnten erstmals fast alle zellulären Besonderheiten der progredienten MS im Tiermodell dargestellt werden. Damit eröffnet dieses Modell die Möglichkeit potentielle neuroprotektive Substanzen zu testen um in Zukunft spezielle Therapien für MS Patientinnen/Patienten der progredienten Phase anbieten zu können. In einer ersten Austestung wurde Vitamin D (VitD) genauer betrachtet. Da dieses Vitamin in der schubförmigen MS und damit auch in der EAE als protektiv gilt, sollte herausgefunden werden, ob VitD auch potentiell in der progredienten MS-Phase hilfreich sein könnte. Dabei wurde entdeckt, dass Ratten, die ab der Entwöhnung von der Mutter mit VitD zugefüttert wurden wesentlich weniger zelluläre Schäden aufwiesen als jene Tiere, die kein VitD zugefüttert bekamen. Diese Daten könnten ein Hinweis darauf sein, dass VitD in Zukunft - nach näherer Erforschung - auch eine sinnvolle Ergänzung in der Therapie der progredienten MS sein könnte. Zusammenfassend konnten in dieser Dissertation zwei Hauptprojekte bearbeitet werden, wobei in beiden Modellen wichtige neue Erkenntnisse auf dem langen Weg zur Neuroprotektion erforscht werden konnten. |