| Hintergrund: Um Schwerelosigkeit zu simulieren und die damit verbundene Dekonditionierung zu erforschen, wird weltweit das Modell der sechs Grad Kopftieflage angewendet. Bettruhe und Immobilisation haben Volumenverschiebungen, Muskelatrophie und Knochenabbau zur Folge und werden mit Veränderungen im Gerinnungssystem in Zusammenhang gebracht. Die zugrundeliegenden Mechanismen der durch Bettruhe induzierten Gerinnungsveränderungen sind nicht hinreichend erforscht. Prokoagulatorische Veränderungen bei immobilisierten und bettlägerigen Patienten sind dokumentiert und werden mit Thromboseprophylaxe behandelt. In dieser Studie wurden die pro- und antikoagulatorischen Veränderungen bei 21 tägiger Bettruhe in sechs Grad Kopftieflage untersucht.
Methoden: Es wurden Blutproben von zwölf gesunden männlichen Probanden über 21 Tage simulierter Schwerelosigkeit am Institut de Médecine et de Physiologie Spatiales in Toulouse, Frankreich, genommen. Keiner der Probanden befand sich zum Zeitpunkt der Studie aufgrund einer Erkrankung in medizinischer Behandlung. Die Blutabnahmen erfolgten zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr, fünf Tage vor Beginn der Bettruhe (BDC-5), am zweiten (HDT+2), siebten (HDT+7), 14. (HDT+14), 21. (HDT+21) Tag der Bettruhe, am ersten Tag der Erholungsphase unmittelbar vor dem Aufstehen und am zweiten Tag der Erholungsphase (R+2). In thrombozytenarmem Plasma wurden Parameter der Thrombelastometrie (Coagulation Time (CT), Clot Formation Time, α-angle und Maximum Clot Firmness (MCF)), Parameter des Thrombingenerierungstests (Endogenes Thrombin Potential (ETP), Thrombin Peak (TP), Time to Peak (ttPeak), Slope, Lag Time und Start Tail) und des Weiteren Faktor II, Faktor VII, Faktor VIII, Thrombin-Antithrombin-Komplex (TAT), Prothrombin Fragment 1+2 (F1+2) und Tissue-type Plasminogen Activator (t-PA) bestimmt.
Resultate: Die CT war während der Bettruhe signifikant verlängert. Der α-angle war signifikant vermindert. ETP zeigte geringere Werte ab HDT+7. An HDT+21 waren die Werte von TP und Slope erhöht, während die Messwerten von Start Tail und ttPeak erniedrigt waren. Die Lag Time war zum Zeitpunkt HDT+2 verlängert, zeigte ansonsten jedoch keine Unterschiede. Prothrombin war unverändert während der Bettruhe, war aber in der Erholungsphase (R+2) leicht erniedrigt. F1+2 zeigten niedrigere Werte an den Tagen HDT+7 und HDT+21. Faktor VIII war an R 0 leicht erhöht. TAT, t-PA, Faktor VII und MCF zeigten keine signifikanten Veränderungen. Kein Parameter ließ auf Pathologien schließen.
Diskussion: Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass kein prokoagulatorischer Effekt während der 21 tägigen Bettruhe in sechs Grad Kopftieflage bei gesunden männlichen Probanden auftritt. Die Ergebnisse stehen im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, dass Bettruhe und Immobilisation prokoagulatorische Auswirkungen haben. Da an dieser Studie gesunde Probanden teilnahmen, reagieren vielleicht nur Patienten, die bereits ein Ungleichgewicht in ihrem Gerinnungssystem haben, auf Bettruhe und Immobilisation mit erhöhter Gerinnungsneigung. Es drängt sich die Frage auf, ob alle Patienten ausnahmslos mit Thromboseprophylaxe behandelt werden müssen, sobald sie immobilisiert werden.
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