| Rund 20 Jahre nach den ersten wissenschaftlichen Publikationen zum Suchtverhalten im Internet hat die Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2018 auf Basis der bis dahin gesammelten klinischen, neurophysiologischen und epidemiologischen Evidenz entschieden, zwei konkrete Manifestationen dieses Phänomens als Suchterkrankungen in der aktuellen elften Auflage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) zu listen. Suchtverhalten im Internet wurde bislang in zahlreichen epidemiologischen Untersuchungen entweder generell oder bezogen auf einzelne Anwendungsbereiche des Internets, wie etwa Soziale Medien oder Spiele, betrachtet. Umfassende Vergleiche einzelner Anwendungen wurden in diesem Kontext bisher allerdings kaum durchgeführt. Zudem existieren für Österreich keine aktuellen und belastbaren Daten für Jugendliche, die in diesem Kontext als besonders vulnerable Risikogruppe gelten. Diese Lücke erschwert die Planung entsprechender und vielerorts eingeforderter Präventions- und Interventionsmaßnahmen. Demnach ist das Ziel der vorliegenden Dissertation, diese Lücke durch Prävalenzschätzungen mehrerer Suchtverhaltensmuster zu schließen und durch eine anwendungsspezifische Analyse damit assoziierter Korrelate eine Grundlage für eine evidenzbasierte Maßnahmenplanung zu legen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation basieren auf einer Sekundäranalyse von Querschnittsdaten einer repräsentativen Erhebung unter 2.812 Schüler:innen vom Frühling 2022 unter Anwendung anerkannter Screeninginstrumente. Nach umfangreichen Maßnahmen zur Sicherung der Datenqualität, wurden im Zuge der Auswertungen logistische und lineare Mehrebenen-Regressionsanalysen angewandt.
Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit früheren Untersuchungen und zeigen, dass digitale Medien und die damit zugänglichen Internetanwendungen zentrale Aspekte und ständige Begleiter im Leben von Jugendlichen darstellen. Die untersuchten Jugendlichen weisen eine bemerkenswert hohe Prävalenz von internetbezogenem Suchtverhalten auf, insbesondere in Bezug auf Smartphones und Soziale Medien. Weibliche Jugendliche zeigen diesbezüglich jeweils deutlich mehr Suchtverhalten als männliche. Darüber hinaus ist ein erheblicher Teil der Schüler:innen von weiteren psychischen Problemen sowie Insomnie betroffen, die im Zusammenhang mit internetbezogenem Suchtverhalten stehen. Ein höherer Symptomschweregrad dieses Suchtverhaltens zeigt sich mit mehreren Nutzungsmustern, mit psychischen Begleitproblematiken, mit soziodemografischen und psychosozialen Merkmalen sowie mit familiären Rahmenbedingungen.
Die Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass Maßnahmen an verschiedene Zielgruppen gerichtet und auf unterschiedlichen Ebenen angesetzt werden sollten, wie beispielsweise Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung bei Eltern, Maßnahmen zur Sensibilisierung von Fachkräften im Gesundheits- und Bildungsbereich, Maßnahmen zur Förderung nicht-digitaler Belohnungsmechanismen sowie Maßnahmen zur allgemeinen Stärkung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen, mit besonderem Fokus auf die Rolle Sozialer Medien. |