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Bibliografische Informationen
 Primary Health Care im größten europäischen Flüchtlingslager Kara Tepe II auf Lesbos  
 Hintergrund
Im Jahr 2015 wurde im Rahmen der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen festgelegt, dass bis 2030 die Gesundheitsversorgung durch das Konzept der Primary Health Care weltweit gewährleistet sein soll. Diese Arbeit widmet sich der Umsetzung von Primary Health Care in Flüchtlingslagern. Exemplarisch wurde dazu das größte Flüchtlingslager Europas – Kara Tepe II auf Lesbos – betrachtet. Im Detail soll diese Arbeit drei Fragen beantworten: Erstens soll der tatsächliche Bedarf an Primary Health Care durch Analyse der häufigsten Beratungsursachen herausgearbeitet werden. Zweitens soll die Nachfrage an medizinischer Versorgung mit dem tatsächlichen Angebot im Camp verglichen werden. Und drittens soll betrachtet werden, wovon der Bedarf an medizinischer Versorgung abhängt.
Methoden
Während eines Zeitraums von vier Wochen wurde im Frühjahr 2021 in der Primary Care Clinic im Flüchtlingslager Kara Tepe II eine ad-hoc Stichprobenstudie durchgeführt. Dafür wurden die pseudonymisierten Daten (Geschlecht, Alter, Nationalität und Beratungsursache) aller in diesem Zeitraum vorstelligen Patient*innen (2682 Konsultationsanlässe) betrachtet. Mithilfe des Fragebogens der International Classification of Primary Care wurden diese Daten kodiert und ausgewertet.
Ergebnisse
Die häufigsten Beratungsanlässe waren Symptome des Verdauungstrakts mit 20,7%, muskuloskelettale Beschwerden mit 16,3%, Hauterkrankungen mit 14,8%, Symptome der Atemwege mit 7,9% und neurologische Probleme mit 6,2%. Bei den Patientinnen waren epigastrischer Schmerz, Rückenschmerzen und Bauchschmerz allgemein die häufigsten Beratungsanlässe, bei den Patienten epigastrischer Schmerz, Zahnschmerzen und Kopfschmerzen. In den verschiedenen Altersgruppen litten die Patient*innen vor allem unter Fieber in der Altersgruppe 0 bis 5 Jahre, unter Zahnschmerz in der Altersgruppe 6 bis 10 Jahre, unter epigastrischem Schmerz in allen Altersgruppen zwischen 11 und 50 Jahren, unter Kniebeschwerden in der Altersgruppe 51 bis 60 Jahre, unter Rückenschmerzen zwischen 61 und 70 Jahren und unter Dyspnoe in der Altersgruppe über 70 Jahre. Menschen aus Afghanistan und Somalia konsultieren die Primary Care Clinic besonders wegen gastrointestinaler und muskuloskelettaler Beschwerden, sowie Hautproblemen, während bei Menschen aus der DRC gastrointestinale Beschwerden an erster Stelle, Hautprobleme an zweiter Stelle und muskuloskelettale Beschwerden an dritter Stelle standen. Bei Syrier*innen überwogen die Hautkrankheiten vor den gastrointestinalen und muskuloskelettalen Symptomen. Ähnliche Ergebnisse ergaben sich bei Patient*innen aus dem Irak; bei ihnen standen jedoch neben muskuloskelettalen Symptomen an dritter Stelle ebenfalls generelle und unspezifische Beschwerden. Menschen aus den übrigen Ländern stellten sich vor allem wegen gastrointestinaler Symptome, muskuloskelettaler Beschwerden und respiratorischem Leiden vor.
Schlussfolgerung
Die Ziele von Primary Health Care wurden im Lager Kara Tepe II nicht ausreichend erfüllt. Besonders bei den Aspekten Aufklärung, Krankheitsprävention, Hygiene, Familienplanung, der Behandlung psychiatrischer Krankheiten und Krankheitsbilder aus der Zahnmedizin, bestanden zum Teil extreme Defizite. Im Bereich der Impfung und Immunisierung, Gesundheit von Mutter und Kind und dem Zugang zu Medikamenten war die Versorgung tendentiell ausreichend. Den Aspekten der Ernährung und Individualmedizin wurde zwar nachgekommen, jedoch auf sehr niedrigem Level.
Während bei Alter und Geschlecht wenig signifikante Unterschiede im Bedarf an medizinischer Versorgung festgestellt werden konnten, war das Aufsuchen ärztlicher Hilfe abhängig von der Nationalität der Bewohner*innen. Menschen aus dem afrikanischen Raum hatten einen höheren Bedarf an medizinischer Hilfe, während die Konsultationszahlen bei Afghaner*innen und Somalier*innen mit der Anzahl an Campbewohner*innen korrelierten und Menschen aus Syrien sogar einen geringeren Bedarf an medizinischer Hilfe aufwiesen.  
 Primary Health Care; Flüchtlinge  
 
 2023  
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 Medizinische Statistik
Autorinnen*Autoren / Co-Autorinnen*Co-Autoren
  Bonnländer, Dorothea Zoe Emilia
Betreuende Einrichtung / Studium
  Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie
 UO 202 Humanmedizin  
Betreuung / Beurteilung
  Freidl, Wolfgang; Univ.-Prof. Dr.phil.