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Dissertation - Detailansicht

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Bibliografische Informationen
 Modellieren eines Kollisions-Sensors aus dem Tierreich zur Entwicklung von Orientierungshilfen für Blinde oder Sehbehinderte  
 Im lobus opticus der Heuschrecke befindet sich ein spezieller neuronaler Schaltkreis, welcher es dem Tier ermöglicht, Objekte auf direktem Kollisionskurs zu erkennen und auszuweichen. Die vorliegende Doktorarbeit befasst sich mit Nervenzellen, welche Teil des Schaltkreises sind und in den drei optischen Ganglien des lobus opticus, der Medulla, der Lamina und dem Lobulakomplex, zu finden sind. Hauptaugenmerk war die Beschreibung der Morphologie und Synaptologie. Außerdem wurden elektrophysiologische Experimente für die genaue Charakterisierung hemmender Verbindungen durchgeführt. Der Einfluss dieser Hemmung ist wichtiger Bestandteil in einem Modell des Schaltkreises und wird darin als zugrundeliegenden Mechanismus zur Detektion bevorstehender Kollisionen angenommen.
Zur Untersuchung der Morphologie und Synaptologie der Nervenzellen wurde eine neuartige elektronenmikroskopische Methode verwendet. Mit Hilfe dieser Technik, der serial block-face scanning electron microscopy (SBEM), können Aufnahmen aus mehreren tausend Serienschnitten angefertigt werden und die Nervenzellen rekonstruiert sowie ihre Synapsen identifiziert werden.
Für die elektrophysiologischen Experimente wurde eine Vorrichtung entworfen, mit welcher einzelne Facetten des Komplexauges stimuliert werden können. Dies ermöglichte das Abspielen verschiedener Reizmuster auf abgegrenzte kleine Bereiche des Komplexauges. Die Reaktion wurde von einer Nervenzelle im thorakalen Nervenstrang, dem descending contralateral movement detector (DCMD), extrazellulär abgeleitet. Das DCMD ist postsynaptisch zum lobula giant movement detector (LGMD), welches die Aktionspotentiale 1 zu 1 an das DCMD weiter gibt.
Es wurden zwei verschiedene Arten aus der Familie der Acrinidae für die Experimente verwendet. In der Lamina von adulten Schistocerca gregaria wurden die monopolaren Nervenzellen (L1 und L2) untersucht. Diese Nervenzellen sind die ersten Interneurone im Schaltkreis und Informationen werden direkt von den Photorezeptorzellen aus der Retina übertragen. Dass die identifizierten Synapsen von L1 und L2 zu etwa 40 % Tetraden sind, war ein bemerkenswertes Ergebnis, da bisher angenommen wurde, dass Tetraden eine spezielle Anpassung innerhalb der Unterordnung der Brachycera sind.
Zur Untersuchung von Nervenzellen, welche von der Medulla in den Lobulakomplex zum LGMD ziehen, wurden Larven des vierten Stadiums von Locusta migratoria verwendet. Diese Nervenzellen werden auch trans-medulläre afferente (TmA) Neurone genannt und sollen eine wichtige Rolle im Schaltkreis zur Erkennung bevorstehender Kollisionen innehaben. Die Rekonstruktionen zeigten, dass es in der Medulla weitere mögliche Kandidaten gibt, welche Teil des Schaltkreises sein könnten, und dass die TmA Nervenzellen in der Medulla nicht nur als postsynaptische sondern auch als präsynaptische Partner im Schaltkreis vorliegen. Das legt den Schluss nahe, dass nicht nur vom Auge zum Lobulakomplex sondern auch in die andere Richtung, zum Auge hin, Informationen verarbeitet werden.
Die elektrophysiologischen Experimente, welche mit adulten L. migratoria durchgeführt wurden, konnten den Effekt der Stimulation einzelner Ommatidien zeigen. Alleine durch Projektion eines OFF Stimulus auf 30 Ommatidien konnte eine Hemmung der Reaktion in den benachbarten Ommatidien beobachtet werden. Die Stärke der Hemmung war dabei vom Zeitintervall zwischen den Reizungen abhängig. Am stärksten war der Effekt bei einem Intervall von 100 ms.
Die gewonnenen Daten legen den Schluss nahe, dass das beschriebene Modell für die Kollisionswahrnehmung der Heuschrecke auf korrekten Annahmen basiert. So konnte, wie im Modell angenommen, eine Hemmung und ihrer Abhängigkeit von der Ausbreitungs-geschwindigkeit des Reizes über das Auge gezeigt werden. Jedoch sollte, basierend auf den morphologischen Daten, die Möglichkeit weiterer beteiligter Nervenzellen in der Medulla in Betracht gezogen und das Modell daraufhin ergänzt werden.
 
 Locusta migratoria, Schistocerca gregaria, lobus opticus, LGMD, TmA neuron, L neurons, SBEM, electrophysiology  
 
 2016  
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 Zoologie
Autorinnen*Autoren / Co-Autorinnen*Co-Autoren
  Wernitznig, Stefan; Mag.rer.nat.
Betreuende Einrichtung / Studium
  Lehrstuhl für Zellbiologie, Histologie und Embryologie
 UO 790 202 Dr.-Studium der medizin. Wissenschaft; Humanmedizin  
Betreuung / Beurteilung
  Leitinger, Gerd; Ass.-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr.rer.nat.
  Pölt, Peter; Oberrat Dipl.-Ing. Dr.techn. Univ.-Doz.