| Hintergrund/Ziele Obwohl Evidenz vorhanden ist, dass Geschlecht und Adipositas die menschliche Gehirnstruktur beeinflussen können, wird dies in Bildgebungsstudien des Gehirns bei bipolarer affektiver Störung (BD) nicht in ausgewiesener Form berücksichtigt. Dies lieferte den Ansporn die folgenden Hypothesen in einer Kohorte von 124 Erwachsenen mit BD und 86 Kontrollpersonen (HC) zu testen: Erstens (I), in Individuen mit BD ist im Vergleich zu HC das Volumen der Hyperintensitäten der weißen Substanz (WMH) erhöht (Ia) und das Volumen der grauen Substanz von prädefinierten anterioren-limbisch-striatalen Netzwerken (ALSN) reduziert (Ib), wobei auch Geschlechtsunterschiede vorliegen können. Zweitens (II), diese potentiellen hirnstrukturellen Abweichungen von der Norm der weißen (IIa) und grauen (IIb) Substanz werden durch Lebensstilfaktoren wie Übergewicht oder Adipositas mitbedingt. Und drittens (III), das Volumen der WMH (IIIa) und/oder das Volumen des ALSN (IIIb) sind mit klinischen Parametern und/oder der medikamentösen Therapie assoziiert. Methoden In einer Querschnittsstudie wurden bei den ProbandInnen unter anderem ein 3 Tesla-MRT des Schädels und ein diagnostisches Interview und eine Anamneserhebung durchgeführt. Die WMH wurden semi-manuell mit der Hilfe eines eigens entwickelten Computerprogramms eingezeichnet und die Volumina der WMH berechnet. Das graue Volumen der ALSN wurde mit Hilfe des Programms Freesurfer berechnet. Alle für die Statistik verwendeten Volumsvariablen wurden anhand des totalen intrakraniellen Volumens jeder Probandin normalisiert. Es wurden Hypothesen-abhängig Varianz- und/oder Korrelationsanalysen, kontrolliert für bekannte Störfaktoren, durchgeführt. Ergebnisse Betreffend WMH: (Ia) Individuen mit BD hatten signifikant mehr (F=3.968, p<0.05) WMH (Mdn=3710mm3; IQR=2961mm3) als HC (Mdn=2185mm3; IQR=1665mm3). BD Männer (Mdn=4095mm3; IQR=3295mm3) und BD Frauen (Mdn=3032mm3; IQR=2816mm3) unterschieden sich nicht signifikant im Volumen an WMH. (IIa) Es konnte keine Assoziation von WMH mit Lebensstilfaktoren festgestellt werden. (IIIa) Nur bei den BD Männern korrelierte die Anzahl an manischen/hypomanen Phasen(r=0.75; p<0.001) als auch an depressiven Phasen(r=0.51; p<0.001) positiv mit dem WMH-Gesamtvolumen. Betreffend ALSN-Volumen: (Ib) Die Varianzanalyse (ANCOVA) ergab, dass Individuen mit BD verglichen mit Kontrollen ein signifikant reduziertes Volumen der ALSN aufwiesen (F=5.935, p=.016, Eta=.028) und Männer ein signifikant geringeres Volumen als Frauen zeigten (F=4.594, p=.033, Eta=.022). (IIb) Nach dem Hinzufügen der Body Mass Indices und des Zigarettenrauchens in die gleiche ANCOVA konnte dieser signifikante Gruppen- und Geschlechtsunterschied nicht mehr detektiert werden, wobei der Body Mass Index (BMI) die signifikante Störgröße darstellte (F=5.666, p=.018, Eta=.010). (IIIa) Individuen mit BD, die atypische Antipsychotika einnahmen, wiesen ein signifikant reduziertes Volumen der ALSN auf, verglichen mit Individuen mit BD, die keine derartige Medikation einnahmen (F=12.034, p=.001, Eta=.105). Schlussfolgerungen Bei Männern mit BD war das Gesamtvolumen an WMH stark mit der Anzahl manischer Phasen assoziiert, was für eine erhöhte Anfälligkeit der Männer im Bezug auf manische Symptome im Kontext von Veränderungen der weißen Substanz spricht. Unsere Resultate der reduzierten ALSN Volumina unterstreichen die Notwendigkeit, Parameter wie Adipositas und Geschlecht bei der Analyse bildgebender Verfahren des Gehirns im Kontext der BD und vermutlich auch anderer neuropsychiatrischer Erkrankungsbilder miteinzubeziehen. Da Individuen mit BD, die zum Testzeitpunkt mit atypischen Antipsychotika therapiert wurden, eine signifikante Reduktion des ALSN Volumens zeigten, entsteht aufgrund unserer Resultate ein zusätzlicher Anreiz, dieser Beobachtung durch longitudinale Studien weiter auf den Grund zu gehen. |