| Hintergrund: Im Verlauf der COVID-19 Pandemie in Österreich wurden viele Maßnahmen verordnet und Empfehlungen herausgegeben, die neben Impfplänen unter anderem auch Einschränkungen von Grundrechten beinhalteten und mit enormen ökonomischen Kosten verbunden waren. Eine Aufarbeitung der COVID-19 Pandemie und Evaluierung der getroffenen Entscheidungen ist daher angebracht. In dieser Arbeit werden jene Maßnahmen und Empfehlungen evaluiert, die Personen betrafen, die bereits einmal mit SARS-CoV-2 infiziert waren (=Genesene) und somit eine natürliche Immunität aufgebaut haben. Die Fragestellung lautet, ob und wie gut die Empfehlungen und regulatorischen Maßnahmen während der COVID-19 Pandemie in Österreich mit der zu verschiedenen Zeitpunkten bereits veröffentlichten wissenschaftlichen Evidenz über die natürliche Immunität übereinstimmten.
Methodik: Systematische Recherche der Literatur zur natürlichen Immunität in der Allgemeinbevölkerung. Vergleich der zu den jeweiligen Quartalsanfängen der Jahre 2021 und 2022 veröffentlichen Publikationen, mit den zu diesen Zeitpunkten gültigen Impfempfehlungen und regulatorischen Maßnahmen für Genesene.
Ergebnisse: Mit der systematischen Literaturrecherche wurden 48 relevante Publikationen identifiziert. Die Evidenz zeigte bereits Anfang 2021, dass Personen mit natürlicher Immunität ungefähr so gut vor SARS-CoV-2 Infekten geschützt sind wie geimpfte Personen. Im Verlauf der Pandemie zeigte sich, dass diese relative Schutzwirkung (Immunität) nach SARS-CoV-2 Infektionen länger anhält wie nach Impfungen. Eine eindeutige Diskrepanz zwischen regulatorischen Maßnahmen und wissenschaftlichen Daten gab es bei der Benachteiligung von Genesenen im Vergleich zu Geimpften bei dem grünen Pass bzw. der 3G/2G Regeln, da die zeitliche Dauer der Befreiung von Einschränkungen und Testpflichten nach Genesung deutlicher kürzer war wie nach der Impfung. Diskrepanzen zeigten sich auch zwischen der wissenschaftlichen Evidenz zur natürlichen Immunität und verschiedenen Impfempfehlungen für Genesene.
Schlussfolgerung: Regulatorische Maßnahmen und Empfehlungen während der COVID-19 Pandemie in Österreich haben die wissenschaftliche Evidenz zur natürlichen Immunität nur unzureichend berücksichtigt. Diese Schlussfolgerung bezieht sich auf die Diskrepanzen zwischen wissenschaftlicher Evidenz und veröffentlichten Maßnahmen sowie Empfehlungen, ersetzt jedoch keine Evaluierung der Prozesse und Diskussionen, die zu diesen Entscheidungen geführt haben. |