| Einleitung
Perioperativer Visusverlust ist eine sehr seltene Komplikation bei nichtophthalmologischen Operationen, die dramatische Folgen für die Betroffenen und das behandelnde Team hat. Die Unterteilung erfolgt in drei Entitäten, die jeweils durch ein Sauerstoffdefizit in bestimmten Geweben bedingt sind. Die häufigste Form ist die ischämische
Optikusneuropathie (ION), bei der der Sehnerv durch eine Minderdurchblutung geschädigt wird. Bei Wirbelsäulenoperationen ist vor allem der hintere Anteil des N. opticus betroffen, während Herzoperation vor allem zu einer Schädigung im vorderen Anteil führen. Die Patient*innen leiden je nach betroffenem Areal an uni- oder bilateralen Sehstörungen. Beim zentralen Netzhautarterienverschluss (CRAO) werden Gefäße, die die Retina versorgen, verschlossen. Dies geschieht vermehrt bei Operationen an der Wirbelsäule, wenn ein Auge bei falscher Kopflagerung komprimiert wird. Hier tritt die Läsion fast nur einseitig auf. Der kortikalen Blindheit (CB) liegt eine Schädigung der Sehbahn hinter dem Chiasma opticum zugrunde, die einem Insult gleicht. Sie tritt vor allem bei Kindern und Jugendlichen bei Deformitätenkorrekturen an der Wirbelsäule auf. Die Diagnose ION und CRAO wird durch
Zusammenschau aus Klinik und Fundoskopie gestellt. Die Bildgebung mittels Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) dient zur Diagnose der kortikalen Blindheit und zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Während Patient*innen mit kortikaler Blindheit bei früher Diagnosestellung eine Chance auf Heilung haben, ist die Prognose bei ION und CRAO schlecht.
Material und Methoden
Mittels Literaturrecherche wurden die Unterschiede in Ätiologie, Pathophysiologie, Risikofaktoren und Therapieoptionen der verschiedenen Formen des perioperativen
Visusverlustes analysiert. Die Inhalte stammen aus PubMed, Google Scholar und Fachliteratur, sowie einer allgemeinen Internetsuche.
Ergebnisse
Perioperativer Visusverlust (POVL) tritt hochgerechnet auf alle Operationen mit einer Inzidenz von 0,0008% bis 0,0235% auf. Herzoperationen und Eingriffe an der Wirbelsäule verursachen die meisten Fälle von POVL, wobei die Spondylodese bei Skoliose den Eingriff mit dem höchsten Risiko darstellt. In retrospektiven Datenanalysen wurden Risikofaktoren für die Entstehung der POVL erforscht. Einige der Risikofaktoren sind kausal, während andere aufgrund der schwierigen Studienlage nur assoziiert werden können. Die
relevantesten Risikofaktoren für die ischämische Optikusneuropathie bei Eingriffen an der Wirbelsäule sind männliches Geschlecht, höheres Lebensalter, Übergewicht, Wilson Rahmen, lange Operationsdauer, Blutverlust und ein niedriges Verhältnis von Kolloiden zu Kristalloiden im Flüssigkeitsmanagement. Der zentrale Netzhautarterienverschluss ist vor allem durch eine falsche Positionierung bedingt. Der kortikalen Blindheit liegt eine
ischämische oder embolische Genese zugrunde, die durch vaskuläre Risikofaktoren begünstigt wird.
Diskussion
Trotz neuer Erkenntnisse gibt es bei der ION und der CRAO in den meisten Fällen keine erfolgreiche Therapie und die Patient*innen leiden an einer permanenten Sehstörung. Aktuell hat die Prävention Priorität und es wurde eine Praxisempfehlung veröffentlicht, die die Ärzt*innen in ihrem Handeln unterstützen soll. Dabei stehen präoperative Identifizierung von Hochrisikopatient*innen, Aufklärung, richtige Lagerung und intraoperatives Management im Vordergrund.
Es gibt viele retrospektive Studien zum Thema POVL, doch deren Aussagekraft ist aufgrund der Seltenheit der Komplikation oft limitiert. Die Angaben zu Inzidenzen sowie
Häufigkeitsverteilungen variieren stark. In kleinen Studienpopulationen findet man Risikofaktoren und Therapieoptionen, die häufig aber nicht tatsächlich kausal sind. Für die Zukunft wären prospektive Studien wünschenswert, um wissenschaftliche Evidenz zu generieren und langfristig das Auftreten der Komplikation zu vermeiden. |