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Dissertation - Detailansicht

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Bibliografische Informationen
 Komplementär- und Alternativmedizin in supportiver Krebstherapie: Patientenperspektiven und mögliche Wege zur Integration  
 Hintergrund:

TumorpatientInnen greifen häufig auf Komplementärmedizin (KM) zurück. In vergangenen Studien wurden unterschiedliche Faktoren beschrieben, die die Bereitschaft KM während des Krankheitsverlaufs zu nutzen erhöhen. Dieses Projekt untersuchte Faktoren, die die Anwendung von KM in österreichischen TumorpatientInnen beeinflussen, wobei der Schwerpunkt auf Symptomclustern und demografischen Merkmalen als Prädiktoren lag. Zusätzlich erhob die Studie die evidenzbasierte Praxis und Forschungskompetenz von KomplementärmedizinerInnen, welche TumorpatientInnen betreuen. Ein tieferes Verständnis ihrer klinischen Praxis und der darin spielenden Rolle von wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen OnkologInnen und KomplementärmedizinerInnen zum Nutzen der Tumorpatient*innen verbessern.

Methoden:

Wir führten zwei umfassende Querschnittsstudien durch, an denen österreichische TumorpatientInnen und KomplementärmedizinerInnen aus Österreich, Deutschland, den Vereinigten Staaten, Australien und Neuseeland teilnahmen. Die PatientInnendaten umfassten soziodemografische Charakteristika, klinische Merkmale, Nutzung von KM und eine umfassende Erhebung der klinischen Symptome. Um unterschiedliche Symptomcluster zu identifizieren, führten wir eine latente Profilanalyse durch. Mittels bivariater und multivariater Analysen, wurden prädiktive Faktoren für die Nutzung von KM identifiziert. Komplementärmediziner*innen gaben Einblicke in ihre demografischen Daten, klinischen Praktiken, Informationsquellen und die Rolle von Forschung in ihrer klinischen Praxis. Unter Verwendung von deskriptiver Statistik und qualitativer Analysen wurden Unterschiede zwischen den teilnehmenden Ländern beschrieben.

Ergebnisse:

Von den 171 TumorpatientInnen nutzten 63,7% KM, wobei vorwiegend Homöopathie, Nahrungsergänzungsmittel, Kräuter, Massage und Akupunktur angewendet wurden. Allerdings teilten nur 42,2% der Patient*innen ihren Gebrauch von KM dem*der behandelnden Onkolog*in mit. Die Cluster-Analyse ergab vier unterschiedliche Symptomgruppen, wobei der Cluster „Müdigkeit-Depression-Angst“ mit einer um das 3,83-fache höherer Wahrscheinlichkeit für einen Gebrauch von KM assoziiert war. Unsere multivariate Analyse zeigte keine zusätzlichen Prädiktoren. Von den 404 Komplementärmediziner*innen behandelten 62,9% TumorpatientInnen und nutzten dafür hauptsächlich Akupunktur und Kräutertherapien. Eine effektive Behandlung von Schmerzen, Depression, Übelkeit und Müdigkeit wurde laut unseren StudienteilnehmerInnen am besten mit Akupunktur erreicht, während Kräutermedizin für die Behandlung von Obstipation bevorzugt wird. KomplementärmedizinerInnen verwendeten Akupunktur und Kräuter oft parallel zur konventionellen Medizin als supportive Therapie um die Nebenwirkungen der tumorspezifischen Therapien zu lindern. Allerdings standen nur 28,0% in Kontakt zu den behandelnden Onkolog*innen. Unter allen Befragten zeigten 87,4% Interesse an Forschung und 62,6% gaben an, dass Forschung die Anwendung ihrer Akupunktur beeinflusste. Im Allgemeinen bewerteten KomplementärmedizinerInnen die Bedeutung von Forschung in ihrer täglichen Praxis als moderat. Allerdings stuften sie ExpertInnenmeinungen weiterhin als zuverlässigste Informationsquelle ein. Wir fanden länderspezifische Unterschiede hinsichtlich der Ausbildung von KomplementärmedizinerInnen, wobei der höchste Anteil an ÄrztInnen unter den AkupunkteurInnen in Österreich praktizierte.

Schlussfolgerung:

Unsere Studie ergab, dass Symptomcluster nützliche Prädiktoren für die Anwendung von KM bei TumorpatientInnen sind. Die Entwicklung des „Müdigkeit-Depression-Angst“-Clusters könnte als Indikator dienen, um den Gebrauch von KM im Krankheitsverlauf von TumorpatientInnen durch OnkologInnen neu zu bewerten. Hierfür sollte die Symptomlast der PatientInnen kontinuierlich überwacht werden. Jedoch zeigte sich eine unzureichende Kommunikation zwischen Onkolog*innen und PatientInnen bezüglich des Gebrauchs von KM. Eine proaktive, patientenzentrierte Kommunikation könnte potenziell schädliche Therapien identifizieren und die Möglichkeit bieten, PatientInnen bei der Wahl von KM zu unterstützen, wodurch weiters die Arzt-Patienten-Beziehung gestärkt werden könnte. Österreichische KomplementärmedizinerInnen behandeln häufig TumorpatientInnen in ihren privaten Kliniken und sind sich der damit verbundenen Risiken und Herausforderungen bewusst. Daher sammeln sie zuerst allgemeine klinische Erfahrung, bevor sie beginnen TumorpatientInnen zu begleiten. Allerdings verlassen sie sich hauptsächlich auf ExpertInnenmeinungen anstelle von Forschungsarbeiten, um sich zu informieren. Die Vermittlung grundlegender Forschungsfähigkeiten während der Ausbildung von KomplementärmedizinerInnen könnte ihre Forschungskompetenz verbessern und eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit mit OnkologInnen fördern.  
 Komplementärmedizin; Onkologie; Palliativmedizin; Supportive Therapie  
 
 2024  
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 Innere Medizin
 Onkologie
Autorinnen*Autoren / Co-Autorinnen*Co-Autoren
  Huemer, Matthias; Dr.med.univ.
Betreuende Einrichtung / Studium
  Universitätsklinik für Innere Medizin
 UO 790 202 Dr.-Studium der medizin. Wissenschaft; Humanmedizin  
Betreuung / Beurteilung
  Pichler, Martin; Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr.med.univ.
  Siebenhofer-Kroitzsch, Andrea; Univ.-Prof. Dr.med.univ.
  Bitsche, Sarah Margarethe; Univ.-Ass. Dr.med.univ. MSC