| Einleitung
Ziel dieser retrospektiven Studie ist es, den aktuellen Status quo der Prader-Willi-Diagnostik und -Therapie in Österreich zu erfassen und diesen mit Daten aus Frankreich zu vergleichen. Als zentrale Fragestellung wurde das Alter bei Diagnosestellung analysiert, zusätzlich wurden Daten zur Schwangerschaft, der Geburt, der Neonatalperiode und den Therapiemaßnahmen, insbesondere in Bezug auf die Einleitung einer Wachstumshormon-Therapie, evaluiert und mit Frankreich verglichen.
Methoden
Die Datenerhebung in Österreich erfolgte an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz und der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Salzburg. Insgesamt wurden Daten zu 29 Patientinnen und Patienten aus Österreich der Geburtsjahrgänge 2000 bis 2021 erhoben und mit Daten von 60 Kindern aus Frankreich verglichen.
Ergebnisse
Beide Geschlechter waren in unserer Studie gleich stark vertreten (48% männlich, 52% weiblich). Das Prader-Willi-Syndrom wurde in Österreich im Median im Alter von 52 Tagen diagnostiziert. Bei 17/25 Kindern (68%) wurde die Diagnose innerhalb der ersten 90 Lebenstage gestellt, 12% wurden nach dem 3. Lebensjahr diagnostiziert. 28/29 Neugeborene wurden nach der Geburt hospitalisiert, eine Ernährungssonde war bei 16/20 Säuglingen erforderlich. Eine Physiotherapie wurde in 25/27 Fällen (92,6%), eine Ergotherapie in 17/20 Fällen (85%) und eine Logotherapie in 12/18 (67%) Fällen eingeleitet. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung erhielten 27/29 Fällen (93,1%) bereits eine Wachstumshormonbehandlung. Diese wurde median im Alter von 2 Jahren begonnen.
In Frankreich wurde das Prader-Willi-Syndrom im Median mit 23 Tagen diagnostiziert und damit statistisch signifikant früher als in Österreich mit Median 52 Tagen (p<0,001). Ebenso signifikant kürzer war die Dauer der genetischen Tests (p<0,001), hier steht eine Dauer von median 25 Tagen in Österreich 10 Tagen in Frankreich gegenüber. Die Wachstumshormonbehandlung wurde mit einem Median von 12 Monaten ebenso signifikant früher (p=0,01), aber in dieser Studie auch signifikant seltener (40 % der Fälle im Gegensatz zu 93,1 % in Österreich (p<0,001)) eingeleitet.
Diskussion
Die Ergebnisse heben den Einsatz von Wachstumshormontherapie und multidisziplinärer Betreuung in Österreich positiv hervor, zeigen aber ebenso Verbesserungspotenzial auf, insbesondere hinsichtlich der Vermeidung von späten Diagnosestellung und dem frühzeitigeren Einsatz von Wachstumshormonen. Die signifikant häufigere Anwendung von Wachstumshormonen in Österreich im Vergleich zu Frankreich sticht besonders heraus, ist allerdings auf die spätere Diagnosestellung und das Studiendesign zurückzuführen und spiegelt sich nicht in anderen Studien wider.
Weitere Studien sind erforderlich, um Gründe für besonders späte Diagnosestellungen zu klären und den Weg für den frühzeitigen Einsatz von Wachstumshormonen zu ebnen, um schlussendlich eine bestmögliche Prognose für Patientinnen und Patienten mit Prader-Willi Syndrom sicher zu stellen.
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