| Hintergrund
Die Depression zählt zu den weltweit häufigsten und belastendsten psychischen Erkrankungen. In den letzten Jahren hat sich die Inflammationshypothese zunehmend als ergänzendes Modell zur klassischen Monoaminhypothese etabliert. Diese geht davon aus, dass systemische oder zentrale Entzündungsprozesse über Zytokine, Mikrogliaaktivierung und verschiedene molekulare Signalwege zur Entstehung depressiver Symptome beitragen. Die Erkenntnis, dass einige Antidepressiva über ihre monoaminerge Wirkung hinaus antiinflammatorische Eigenschaften besitzen könnten, weckt das Interesse an ihrem immunmodulatorischem Potenzial im Kontext der Depressionsbehandlung.
Material und Methoden
Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde eine Literaturrecherche in der Datenbank PubMed durchgeführt. Der Fokus lag auf präklinischen und klinischen Studien aus den Jahren 2015–2024, die sich mit antiinflammatorischen Effekten gängiger Antidepressiva (SSRI, SNRI, Bupropion, Mirtazapin) im Zusammenhang mit Depression beschäftigten. Die Recherche umfasste sowohl Tiermodelle als auch Studien mit Patient*innen mit unipolarer Depression. Analysiert wurden Wirkungen auf pro- und antiinflammatorische Zytokine (z. B. IL-6, TNF-α, IL-1β, IL-10), Signalwege wie NF-κB, NLRP3, iNOS/NO sowie ihre mögliche Verbindung zur Verbesserung depressiver Symptomatik.
Ergebnisse
In präklinischen Studien zeigten mehrere Antidepressiva (v. a. Fluoxetin, Sertralin, Escitalopram, Venlafaxin) deutliche entzündungshemmende Effekte: Sie senkten signifikant die Spiegel proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-1β, TNF-α), inhibierten die Aktivität zentraler Entzündungssignalwege (NF-κB, NLRP3-Inflammasom, iNOS) und verringerten die Mikrogliaaktivierung. Gleichzeitig konnten teils neuroprotektive Effekte wie eine Erhöhung von BDNF oder Kynureninsäure nachgewiesen werden. Auch atypische Antidepressiva wie Bupropion und Mirtazapin zeigten immunmodulierende Wirkungen über zelluläre Signalwege wie p38 MAPK oder TLR4. In klinischen Studien war die Datenlage heterogener. Einige Untersuchungen bestätigten einen Rückgang inflammatorischer Marker unter Antidepressivatherapie, insbesondere TNF-α, IL-1β oder IFN-γ, teils mit positiver Korrelation zur klinischen Symptomverbesserung. Andere Studien zeigten jedoch keine signifikanten antiinflammatorischen Veränderungen durch die getesteten Antidepressiva.
Schlussfolgerung
Die beobachteten Effekte deuten darauf hin, dass Antidepressiva nicht nur monoaminerg, sondern auch entzündungsmodulierend wirken können – insbesondere bei Patient*innen mit erhöhten Entzündungsparametern. Die heterogenen Ergebnisse der klinischen Studien lassen sich unter anderem auf methodische Unterschiede in Bezug auf Dosis der verwendeten Antidepressiva, Studiendauer, Patientenauswahl, und Messzeitpunkte zurückführen.
Während positive Auswirkungen durch die beschriebenen antiinflammatorischen Effekte zwar plausibel erscheinen, ist ihre Relevanz für die klinische Behandlung der Depression noch nicht ausreichend belegt.
Weitere Forschungen auf diesem Feld sind notwendig um neue individuelle Therapieansätze für die Behandlung der Depression entwickeln zu können.
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